JBLH: RIESEN-MORAL UND 7:0-LAUF AM ENDE RETTEN EINEN PUNKT GEGEN DORMAGEN

Was für ein Spiel, was für ein Drama! Nicht ein einziges Mal konnten die MT Talents in Spiel der Meisterrunde in der Jugendhandball-Bundesliga gegen den TSV Bayer Dormagen in Führung gehen und feierten ihr 35:35 (17:21) deshalb nach dem Abpfiff wie einen Sieg. Noch neun Minuten vor dem Abpfiff lagen die Gäste mit sieben Toren vorn, vermochten das Leder danach aber nicht mehr ins Netz zu befördern. Melsungen übernahm mit diesem Teilerfolg durch die gleichzeitige Heimniederlage der Rhein-Neckar Löwen gegen Flensburg sogar die Tabellenführung der Meisterrunden-Gruppe 2.

Dass die Gastgeber nicht gerade ihren besten Tag erwischt hatten, zeigte sich bereits in den ersten Minuten. Da blieben drei Angriffe unvollendet, während Dormagen nicht lange zögerte und jeden seiner Ballgewinne binnen kürzester Frist im Tor unterbrachte. Erst zwei Minuten waren gespielt, da stand es bereits 0:3. Und obwohl dann endlich auch die Rot-Weißen anfingen Handball zu spielen und langsam wieder aufschlossen, blieb das Gefühl, dass die Westdeutschen einfach wacher, konsequenter und vor allem schneller waren. Während Melsungen für seine Erfolge arbeiten musste, hatten die Gäste ihre Offensivbemühungen meist schon nach wenigen Sekunden zur Zufriedenheit ihres Trainers erledigt.

Aber, und das war der Lichtblick, nach Ole Preglers Doppelschlag wies die Anzeigetafel plötzlich den 6:6-Gleichstand aus (9.). Wobei das lediglich eine Momentaufnahme war und auch bleiben sollte. Denn das kurze Zwischenhoch war ebenso schnell wieder verflogen, wie es gekommen war. Nach Matthis Blums 7:10 hatte Björn Brede genug gesehen – Auszeit (13.). Selbstverständlich war nicht alles schlecht, was die Hausherren ablieferten. Aber wie es an einem solchen Tag eben ist, es kam auch reichlich Pech hinzu. Wie bei Ben Beekmanns Pfostentreffer, nachdem zuvor auch Julian Fuchs schon Holz anvisiert hatte. Der blieb immerhin bei den Siebenmetern noch fehlerfrei und verwandelte drei am Stück bis zum 11:13 (19.).

Während beim TSV Moritz Wiese eine starke Leistung zwischen den Pfosten ablieferte, blieben die MT-Torhüter blass. Jan-Lasse Herbst hatte schon früh an Jannik Büde übergeben, doch auch der blieb im Schatten seines Gegenüber. Gegen die Würfe von Carlos Marquis war ohnehin wenig zu machen, Fynn Johannmeyer stand ihm nicht viel nach. So wuchs der Abstand schnell wieder auf vier Tore an und blieb trotz frühem Einsatz des siebten Feldspielers bei Melsungen bis zur Pause konstant.

Wer dachte, das Bild würde sich nach dem Seitenwechsel ändern, der sah sich schnell getäuscht. Im Gegenteil legte Dormagen durch Fynn Johannmeyer und Lennart Leitz gleich nach zum 17:23 (32.). Als kleine Vorentscheidung diente das allerdings nicht, weil der in Durchgang eins völlig abgemeldete David Kuntscher erstmals auf den Plan trat, Paul Kompenhans stellte gar den alten Abstand wieder her. Die nächsten Szenen sahen Benjamin Fitozovic im Fokus: zweimal geschickt hinter der Abwehr nach innen eingelaufen, präzise bedient und eiskalt abgeschlossen. Dann war wieder Kuntscher dran, jedoch „nur“ der Stabilisierung dienend, weil nach wie vor Dormagen kaum auf defensiven Widerstand der MT Talents stieß (22:27, 38.).

Erst als Ole Pregler und Rene Andrei erstmals wieder auf drei Tore verkürzten, glomm ein Hoffnungsschimmer auf. Denn immer noch waren 20 Minuten zu spielen und Jannik Büde hatte sich aufgemacht, die Torwart-Dominanz von Moritz Wiese zu brechen. Der wollte das eroberte Terrain allerdings nicht hergeben und kaufte Jan Dobriczikowski einen Tempogegenstoß ab. Melsungen war mittlerweile ebenbürtig, kam aber einfach nicht näher heran als diese drei Tore Differenz. Auf beiden Seiten gab es taktische Finessen zu sehen, die sich aber gegenseitig weitgehend neutralisierten.

Als nach David Kuntschers sehenswerten Dreher im Nachsetzen zum 25:28 aber Lasse Hellemann eine Strafe kassierte, weil einer seiner Kameraden von der Bank eine aufs Feld gerollte Harzdose zurückholen wollte, damit sie nicht zur Stolperfalle würde – was als Spieler zu viel auf dem Feld interpretiert und prompt entsprechend geahndet wurde -, nutzte Dormagen das dankend aus. Lennart Leitz und Tim Mast vor, sowie Carlos Marquis nach einer Auszeit von Trainer Björn Brede stellten zügig auf 25:31 (46.). Allein Julian Fuchs mit drei Toren bot noch Paroli und als Matthis Blum mit zwei Volltreffern innerhalb von 60 Sekunden auf 28:35 stellte, schien für die Gäste alles in trockene Tücher gepackt (51.).

Als möglicherweise entscheidend erwies sich das Umknicken von Blum direkt im Anschluss und sein verletzungsbedingtes Ausscheiden. Weil Carlos Marquis schon länger bei Julian Fuchs in Sonderbewachung war und kaum noch als Faktor diente, fehlte dem TSV-Angriffsspiel urplötzlich die Durchschlagskraft. Geregelte Abschlüsse blieben aus, dafür trafen Lasse Hellemann, Julian Fuchs und Ole Pregler – 31:35 und Auszeit Dormagen bei knapp sechs Minuten Rest auf der Uhr. Doch auch danach wurde es nicht besser für Jamal Najis Jungs. Zu zaghaft, zu zögerlich die Gäste, vor Entschlossenheit strotzend und absolut fokussiert die MT Talents. Die gleichen drei Spieler wie zuvor, nur in anderer Reihenfolge erfolgreich: 34:35 und immer noch knapp drei Minuten auf der Uhr.

Die nervenaufreibende, ewig scheinende Schlussphase geriet zum Drama, als beiden Seiten Fehler unterliefen. Dann plötzlich die große Chance für den durchgebrochenen Lukas Bark, den Auswärtssieg endgültig zu zementieren. Doch der zurückgekommene Jan-Lasse Herbst war mit blitzschneller Reaktion auf dem Posten, fuhr das Bein aus und lenkte das Leder am Pfosten vorbei. Ein vermeintlich letzter Angriff, aber nun rannten sich die Melsunger fest in der verzweifelt kämpfenden TSV-Deckung. Es war schließlich Ole Pregler, der als Kapitän Verantwortung übernahm, sich den finalen Wurf mit allen damit verbundenen Risiken nahm und zum Unentschieden traf. Dem ersten nach dem 6:6 und ohne dass die Gastgeber im Verlauf der 60 Minuten auch nur ein einziges Mal in Führung gewesen waren. Ein Remis, das sicher mehr als glücklich war, den nie aufgebenden Nordhessen als zusätzlichen Lohn aber die Tabellenführung in der Meisterrunden-Gruppe 2 bescherte – und Dormagen in der Verfolgerrolle weiterhin alle Möglichkeiten auf die Playoffs offen hält.

Stimmen zum Spiel

Björn Brede: Auf der einen Seite ist natürlich Freude da über diesen Punkt. Man hat sehen können. Dass die Mannschaft eine große Moral besitzt und immer wieder aufsteht, dass sie sich vor allem auch selbst dazu motivieren kann. Dennoch hatten wir schon in der ersten Hälfte Probleme. Wir haben versucht, Carlos Marquis rauszunehmen, was zuerst nicht funktioniert hat. Außerdem hat Fynn Johannmeyer ein klasse Spiel gemacht, den hatten wir so gar nicht auf der Rechnung. Insgesamt kann ich auch mit unserer Abwehr nicht zufrieden sein. Wir waren einfach viel zu passiv. Als wir vorn versucht haben, mit dem siebten Feldspieler was zu erreichen, hat Dormagen das sofort mit einer offensiveren Abwehr beantwortet. Wir sind dadurch zu hektisch geworden und haben uns verunsichern lassen. Die letzten Minuten waren dann eine Trotzreaktion der Mannschaft die zeigen wollte, dass sie es doch kann. Auch die letzte Auszeit von Dormagen spielte uns in die Karten, weil wir in Ruhe noch einige Sachen absprechen konnten. Der Rest war dann purer Wille. Nach dem Verlauf war das Unentschieden am Ende dann letztlich glücklich.

Jamal Naji: Das war ein verschenkter Punkt, weil wir 52 Minuten das Spiel dominiert haben. Melsungen hat zwar immer wieder Lösungen gefunden, aber wir haben sie durch unser konsequentes Tempospiel nie in eine Euphorie kommen lassen, dass sie aufholen konnten. Wir wollten das Spiel bewusst breit machen und die Bälle nach außen bringen. Das ist uns vor allem über die rechte Seite gut gelungen. In ihre starke Abwehr haben wir sie nicht kommen lassen und vorn auch David Kuntscher gut im Griff gehabt. In der Crunchtime hatten wir dann allerdings Probleme mit Melsungens versetzter 5:1-Deckung gegen Carlos Marquis. Weil Mathis Blum verletzt raus musste, hatten wir dann keinen mehr, der mal Zweikämpfe gewinnt.

Statistik

mJSG: Herbst (3 Paraden, 10 Gegentore), Büde (8 P. / 25 G.)  – Dobriczikowski, Badenheuer, Beekmann 3, Kompenhans 2, Pregler 9, Rietze, Fitozovic 2, Andrei 1, Hellemann 5, Fuchs 10/4, Kuntscher 3 – Trainer Björn Brede.

TSV: Wiese (17 P. / 34 G.), Wolters (bei einem Siebenmeter, 0 P. / 1 G.) – Blum 4/1, Hinrichs 3, Wilhelm 6, Bark, Jurisic, Johannmeyer 8, Marquis 8, Leitz 3, Neven 1, Koch, Mast 2 – Trainer Jamal Naji.

Z: 161 - SR: Seidler / Seidler (Solingen) - Strafen: 8 : 2 Minuten – 7m: 5/4 : 1/1.


So frei wie Benjamin Fitozovic hier bei seinem Treffer zum 20:24 kamen die MT Talents nur selten zum Abschluss. (Foto: WMK)