Julius und Timo: Zwei verletzte Profis, zwei verschiedene Perspektiven

Julius Kühn und Timo Kastening, Handballprofis der MT Melsungen und deutsche Nationalspieler, eint seit einigen Monaten dasselbe Schicksal: Beide sind verletzt. Die Verletzungen sind verschieden und auch deren Entstehungszeitpunkt. Nicht verwunderlich also, dass sich auch die Perspektiven der beiden MT-Profis hinsichtlich der Rückkehr aufs Spielfeld unterscheiden. Während der eine sein Comeback frühestens im Februar als realistisch ansieht, hat der andere sogar die Hoffnung, noch in diesem Monat wieder ins Spielgeschehen eingreifen zu können.


Auch wenn noch nicht ganz glar ist, wann sie wieder auf dem Spielfeld stehen können, strahlen Julius Kühn (li.) und Timo Kastening Zuversicht aus – Foto: A. Käsler. 

Julius Kühn hatte sich Anfang September, gleich im ersten Saisonspiel, einen Knöchelbruch zugezogen. Der 29-Jährige ist indes zuversichtlich, nach dreimonatiger Rekonvaleszenz nun zum Ende des Jahres noch aufs Spielfeld zurückkehren zu können. Und nicht nur das. Der Rückraum-Shooter hat sogar die Weltmeisterschaft im Januar noch keinesfalls abgeschrieben. So hat ihn Bundestrainer Alfred Gislason kürzlich ins vorläufige 35-köpfige Aufgebot geholt. Die Teilnahme an der WM indes hat sein Melsunger Teamkamerad Timo Kastening bereits klar ausgeschlossen. Der Rechtsaußen geht nach seinem im April erlittenen Kreuzbandriss davon aus, frühestens im Februar, also nach der WM-bedingten Ligapause, wieder wettkampffähig zu sein.

Julius Kühn: WM-Teilnahme ist reizvoll, aber der Verein geht vor

Wenn Julius Kühn jetzt wieder ins Wettkampfgeschehen einsteigen würde, hätte er mit der MT bis zum Jahresende noch fünf Gelegenheiten, seine Form zu finden, nämlich in vier Liga- und in einem Pokalspiel. Doch wenige Tage vor dem Melsunger Heimspiel gegen den Bergischen HC (Sonntag, 16:05 Uhr, Rothenbach-Halle Kassel) ist noch keine Prognose zum Comebacktermin möglich.

“Die WM ist natürlich ein reizvolles Ziel, aber zuallererst möchte ich natürlich meinem Verein wieder zur Verfügung stehen. Dazu absolviere ich weiterhin ein gezieltes Programm bei unserem Partner REHAmed und ein spezielle Übungspensum mit unserem Athletikcoach Florian Sölter”, verrät der 29-Jährige.

Derzeit befindet sich Julius Kühn in der vorletzten Phase der Rekonvaleszenz, genannt “Return to Sports”. Das bedeutet, der Spieler kann nach dem monatelangen Individualtraining wieder ins Mannschaftstraining einsteigen. Weitere Belastungstests stehen aber zunächst auf dem Plan.

“Wenn man dann erst einmal wieder im Mannschaftstraining ist, geht die weitere Entwicklung relativ schnell voran”, weiß Kühn aus eigener Erfahrung. Im November 2018 hatte sich der wurfgewaltige Rechtshänder einen Kreuzbandriss in einem Länderspiel zugezogen.  Wann Julius Kühn die nächste Stufe seiner Genesungsphase, “Return to Competition”, erreichen wird: ungewiss.

Wenn jedoch alles wunschgemäß verlaufen sollte, sieht Julius Kühn kein Problem, rasch den Anschluss sowohl ans MT-Team wie auch in der Nationalmannschaft zu finden: “Das Handballspielen verlernt man ja schließlich auch nach einer Verletzung innerhalb von zwei, drei Monaten nicht. Das Schwerste ist immer der Einstieg”.

Und auch die Anzahl der möglichen praktischen Einsätze schätzt Julius Kühn als ausreichend ein: “Zu den Spielen, die ich mit der MT absolvieren könnte, kämen auch noch zwei Länderspiele im Januar hinzu, also kurz vor der WM. “Viel mehr hat man in einer normalen Saisonvorbereitung ja auch nicht”. 

Unter  Druck setzen will er sich trotz aller persönlicher Zuversicht aber nicht. Denn Julius Kühn weiß auch: “Eine Prognose lässt sich nicht treffen, denn es kann sich von einem Tag zum anderen auch alles ganz schnell wieder ändern”.

MT-Sportdirektor Michael Allendorf: Manchmal muss man die Spieler etwas bremsen

Vom Verein aus sieht man die Situation ähnlich: “Für einen verletzten Spieler ist es immer wichtig, positiv nach vorne zu schauen. So wie das bei Julius erfreulicherweise der Fall ist. Auch wir wünschen uns, dass er baldmöglich wieder unserer Mannschaft zur Verfügung steht. Jedoch nicht um jeden Preis. Deshalb muss man Spieler in solchen Situation durchaus auch mal etwas bremsen und zur Vorsicht mahnen. Wir geben unseren verletzten Spielern jedenfalls die Zeit, die sie zur vollständigen Wiedererlangung ihrer Wettkampftauglichkeit benötigen. Man kann schließlich nicht alles planen”, erklärt MT-Sportdirektor Michael Allendorf.

Timo Kastening: Ich hoffe, ab Februar wieder spielen zu können

Timo Kastening zog sich im April einen Kreuzbandriss zu und dabei bekam auch noch der Meniskus etwas ab. Die bei dieser Art von Verletzung landläufig kursierende Zeitspanne von rund sechs Monaten Pause ist eine höchst vage Angabe. Die Genesungsdauer ist von Spieler zu Spieler unterschiedlich. In einigen Fällen kann sie sich durchaus auch über ein ganzes Jahr hinziehen. Der MT-Rechtsaußen will nichts überstürzen. Er hört auf die behandelnden Ärzte und Physiotherapeuten, aber auch auf sein Bauchgefühl. 

“Ich habe mit dem Bundestrainer gesprochen, ihm meine Situation und Einschätzung geschildert und mitgeteilt, dass ich nicht für die Weltmeisterschaft zur Verfügung stehe. Das käme für mich definitiv zu früh. Und selbst wenn ich einige Spiele vorher absolvieren könnte, würde ich das in meinem Fall nicht als ausreichende Vorbereitung empfinden. Es wäre für den Heilungsprozess zu viel des Guten”, sagt Timo Kastening. Und er verrät auch gleich, was sein weiterer Plan ist: “Ich werde auch in der Bundesliga in diesem Jahr kein Spiel mehr bestreiten, sondern konzentriere mich darauf, im Januar eine sehr gute Vorbereitung zu absolvieren und ab Februar dann top-fit in die Rückrunde zu starten”.

Derzeit trainiert der 27-Jährige alles was zur Kräftigung der Muskulatur des betreffenden Beines notwendig ist. Also zum Beispiel sehr viel Training für Oberschenkelbeuger und -strecker. Dabei legen er und die Physiotherapeuten viel Wert darauf, den restlichen Körper nicht außer Acht zu lassen, da sich ansonsten ein gewisses Ungleichgewicht ergeben würde. “Inzwischen bin ich auch schon soweit, zu springen, zu laufen sowie Intervall- und Ausdauereinheiten zu absolvieren. Deshalb fühle ich mich gerade auch wie ein Leichtathlet, der sich auf einen größeren Wettbewerb vorbereitet”, verrät der Linkshänder augenzwinkernd.

Der Kreuzbandriss ist seine erste größere Verletzung. Deshalb fehlen ihm auch Vergleichsmöglichkeiten was den Fortgang der Genesung angeht. Ja, das sei tatsächlich so. Aber er glaube, dass ihm das auch irgendwie gut tue, keine Vergleiche anstellen zu können: ”Ich wusste angesichts dieser Verletzung also gar nicht, was alles auf mich zukommt. Ob es zum Beispiel in der Reha-Phase Höhen und Tiefen gibt, ob ich manchmal verzweifelt sein würde und so weiter. Oder auch die Frage, ob das Knie wieder so wird, wie es vorher war, wenn es aufgrund einer Belastung zwischendurch mal angeschwollen ist. Eins ist aber auch klar: Je näher das Comeback rückt, desto mehr steigt bei mir die Motivation, auf der Zielgeraden noch mehr Gas zugeben, um bald wieder top-fit dabei zu sein”.