MT Talents: Bestandsaufnahme - Nachwuchskoordinator Axel Renner im ausführlichen Interview
In diesem Jahr feiert die Jugendspielgemeinschaft der MT Melsungen mit den benachbarten Vereinen Rot-Weiß Körle und TuSpo Guxhagen ihren zehnjährigen Bestand. Acht Jahre davon hat Axel Renner als Nachwuchskoordinator verantwortlich begleitet und kann heute auf eine Fülle von Erfolgen schauen, die nicht nur anhand von Meisterschaften oder Auszeichnungen zu bemessen sind. Warum die Jugendarbeit mit den MT Talents auch in Zeiten vordergründigen Stillstands beileibe nicht ruht und was dabei die Berufungen von Jugendlichen in den Profikader der MT Melsungen bedeuten sind nur zwei Aspekte, auf die er im ausführlichen Interview eingeht.
- Axel, wir hätten hier gern und viel lieber über sportliche Themen gesprochen, aber die Umstände erlauben es leider nicht. Im Bereich unterhalb der Profis ist seit fast einem Jahr coronabedingter Stillstand.
Das gilt zwar für den Wettkampfbetrieb, aber das Training, die Entwicklung unserer Talente und viele administrative Sachen laufen weiter. Als zertifiziertes Leistungszentrum durften wir ja über weite Strecken im vergangenen Jahr im Jugend-Leistungsbereich trainieren und dürfen es auch im Moment. Der Aufwand dafür ist aber hoch, unter anderem wegen der strengen Hygieneregeln.
- Ein kurzer Rückblick. Kam der Abbruch der Saison 2019/20 für uns einen Spieltag zu spät?
Ohne die ärgerliche Niederlage in Magdeburg wäre die A-Jugend der MT Talents als Spitzenreiter ihrer Meisterrunden-Gruppe neben den Füchsen Berlin als Deutscher Meister bestimmt worden. Wir waren die jüngste Mannschaft in der Meisterrunde, da hat auch mal einen schlechten Tag. Unser war genau zum falschen Zeitpunkt.
- Gibt es denn noch Hoffnung auf ein Happy-End? Für unseren Deutscher Meister-Jahrgang von 2019 wäre die gerade laufende Spielzeit die Chance auf einen grandiosen Abschluss ihrer Jugendzeit gewesen. Der Auftakt war mit zwei Siegen und einem Remis vielversprechend, dann kam diese bis heute andauernde Unterbrechung.
Natürlich gibt es Hoffnung. Der Modus wird, wenn möglich, kurzfristig verändert werden, denn irgendwann wird die Zeit knapp. Ich habe aber das Gefühl, dass alle Beteiligten alles dafür tun, dass wir in dieser Saison noch mal spielen dürfen.
- Wie haben unsere MT Talents denn dieses Jahr Corona sportlich erlebt? Training war uns ja durch die Einstufung als Jugendleistungszentrum in Teilbereichen über weite Strecken möglich, auch ohne Wettkampfbetrieb. Wer durfte was machen und warum, beziehungsweise wer nicht?
Es gab seit fast einem Jahr keine Spiele mehr, es fehlte also der Vergleich mit anderen Mannschaften und damit das sprichwörtliche Salz in der Suppe. Von der A- bis zur C1-Jugend durften wir über weite Strecken trainieren. Aber dieses Training musste unter erheblich erschwerten Bedingungen ablaufen, zum Teil auch unter freiem Himmel oder längere Zeit eigenverantwortlich zu Hause. Das war für alle MT Talents und auch das Umfeld ebenso ungewohnt, wie auch spannend. Wir haben viel mit individuellen Plänen gearbeitet, den athletischen Bereich intensiviert und dabei auch ein paar völlig neue Ansätze gefunden. Das hat den erzwungenen Verzicht auf Spiele nicht aufgewogen. Allerdings konnten wir bei vielen Spielern, gerade im athletischen und technischen Bereich, zum Teil überraschend große Entwicklungsfortschritte beobachten.
- Anderes Thema. Mit welchen Gedanken sitzt Du in der Halle oder – wie im Moment - vor dem Fernseher, wenn die MT in diesen Tagen in der Bundesliga spielt, Sky deutschlandweit live überträgt und ehemalige oder auch aktuelle A-Jugendliche der MT Talents mit im Rampenlicht stehen?
Mit dem guten Gefühl, dass wir in den letzten Jahren offenbar viel richtig gemacht haben. Unsere Arbeit wird wahrgenommen und im Bundesligabereich weitergeführt. Es ist uns gemeinsam gelungen einen Verein aufzubauen, der nicht nur in der Lage ist, ein Talent als Jugendlichen zu scouten und zu veredeln. Wie sind auch in der Lage, einen Spieler wie Ole Pregler von den Minis bis in die Bundesliga zu entwickeln. Es ist Motivation für jeden unserer Mitarbeiter, wenn wir es schaffen, junge Handballer bis in unsere erste Mannschaft zu entwickeln. Natürlich wird diese Chance damit auch für unsere Jungs viel greifbarer. Nicht zuletzt spüren wir auch, dass es ein deutliches Signal nach außen ist.
- Was sind das genau für Signale, zum einen in Richtung der jungen Talente, aber auch nach außen in Richtung unserer Sponsoren und Anhänger?
Viele Vereine bedienen sich zum Beispiel bei Verletzungen ihrer Akteure extern, um das aufzufangen. Das ist nicht nur teuer, sondern auch mit Risiken verbunden. Neue Spieler brauchen fast immer Eingewöhnungszeit und müssen Spielsysteme lernen, sich auf die bestehenden Strukturen einstellen. Bei uns trainieren viele Jugendspieler schon mit den Profis und kennen alles. Die Talente sind also direkt eingebunden. Gleichzeitig stärkt das die Identifikation mit unserem Verein, was wiederum für Sponsoren eine interessante Sache ist. Sie sehen direkt, dass ihr Engagement in unserem Club ankommt und Früchte trägt.
- Was hat diesen doch ziemlich radikalen Umbruch der letzten Jahre in der MT-Jugendarbeit Deiner Meinung nach ausgelöst und nachhaltig befeuert?
Der Zusammenschluss mit den Vereinen aus Körle und Guxhagen war eine Art Initialzündung. Eine Bündelung der Kräfte rund um Melsungen machte Sinn. Mit Axel Geerken kam ein Vorstand zur MT, der die Bedeutung der Jugendarbeit erkannte, sie bis heute stützt und fördert. Wir haben dann die Jugendspielgemeinschaft neustrukturiert und modernisiert. In ersten Schritt haben wir unser Trainerteam professionalisiert. Wir haben die besten nordhessischen Trainer verpflichtet und mit Georgi Sviridenko einen absoluten Fachmann hauptamtlich dazu geholt. Ihre Zusammenarbeit ist das Rückgrat und das Geheimnis unseres Erfolges. Die Qualifikation zur Jugendhandball-Bundesliga 2015 und die Deutsche Meisterschaft 2019 waren die logische Konsequenz und wichtige Anschuberfolge. Dass jetzt verstärkt Jugendliche in den eigenen Profibereich aufrücken, ist für die Entwicklung unserer Talente wichtig und zukunftsweisend. Wir können unsere Jungs vorbereiten und das machen unserer Trainer und Betreuer hochprofessionell. Zu Bundesligaspielern können sie aber nur in der Bundesliga werden.
- Ist es denn denkbar, dass neben Ole Pregler in absehbarer Zeit weitere „Eigengewächse“ fest in den MT-Profistamm aufrücken könnten? Wie beurteilst du das Potential der aktuellen MT Talents?
Wir haben neben Ole einen Perspektivkader, der regelmäßig bei den HBL-Profis mittrainiert. Einige davon haben ja auch schon Einsätze gehabt. Neben Jan-Lasse Herbst, Erik Ulrich und Julian Fuchs aus unserer „Zweiten“ sind aus unserer A-Jugend David Kuntscher, Paul Kompenhans und Ben Beekmann schon dabei gewesen. Dazu kommen noch mehrere vielversprechende Talente in der B- und C-Jugend. Ich kann mit Stolz sagen, dass wir für die Zukunft sehr gut nachhaltig sind.
- Jetzt könnte sich unter Umständen kurzfristig sogar noch eine Möglichkeit ergeben, mit der MT Melsungen 2 aus der Oberliga in die 3. Liga vorzustoßen. Warum und was würde das für unsere jugendlichen Talente bedeuten?
Der Hessische Verband hat die Saison annulliert, bekommt aber vom DHB die Möglichkeit, einen Aufsteiger in die 3. Liga zu melden. Das knüpft der HHV aber daran, dass es eine sportliche Lösung gibt. Wir haben unser Interesse an einem Aufstieg bereits hinterlegt und hoffen, dass uns Corona da keinen Strich durch die Rechnung macht. Für uns wäre die 3. Liga natürlich ein Traum. Das hohe sportliche Niveau hilft uns, unsere Jungs länger bei uns zu behalten und sie noch besser zu entwickeln. Und zu Derbys auf Drittliganiveau gegen Baunatal oder die Mannschaft aus dem Edertal muss ich wohl nichts sagen.
- Lass‘ uns zum Schluss noch kurz in den Glaskugel-Modus wechseln. Fast zehn Jahre mJSG und MT Talents liegen jetzt hinter uns. Was erwartet uns 2021 zum Jubiläum - vor allem sportlich, wenn es denn weiter geht – und darüber hinaus?
Ich bin kein Freund der Glaskugel. Ich halte mich lieber an Fakten. Ich sehe uns sehr professionell und nachhaltig aufgestellt. Ich hoffe, dass wir bald wieder spielen dürfen. Uns alle treibt an, dass wir, die Spieler, die Trainer, die Fans und alle anderen drumherum, gemeinsam etwas erleben und erreichen wollen. Abschließend wünsche ich mir, dass wir weiterhin so gut durch die Pandemie kommen wie bisher und unsere Mitarbeiter, unsere Spieler und deren Familien weiterhin gesund bleiben.