MT Talents: Tom Wolf im medialen Fokus

Fast auf den Tag genau vier Monate ist Tom Wolf inzwischen Melsunger. Der 14 Jahre alte Handballer kommt aus Homberg/Ohm in Mittelhessen und spielt eigentlich immer noch für die HSG Dutenhofen/Münchholzhausen. Trotzdem ist er längst angekommen bei den MT Talents und fühlt sich wohl in der Jugend-Wohngemeinschaft der MT Melsungen. Diese etwas ungewöhnliche Konstellation und natürlich der Werdegang des großen Talents weckte das Interesse von Sportjournalist Tim Strassheim, der die nicht alltägliche Geschichte um Toms Wechsel von Mittel- nach Nordhessen für die Wetzlarer Neue Zeitung in einen interessanten Artikel packte. Ebenfalls nicht alltäglich ist die Erlaubnis der WNZ für uns, diesen online eigentlich kostenpflichtigen Artikel in vollem Umfang und unentgeltlich nachveröffentlichen zu dürfen. Dafür bedanken wir uns ganz herzlich!


Nur die Wäsche bereitet Sorgen

Handballer Tom Wolf wagt den großen Schritt zur MT Melsungen und lebt sich im dortigen Internat schnell ein
Von Tim Straßheim / Wetzlarer Neue Zeitung

Melsungen. Bei der Frage nach seinem Lieblingsplatz in Melsungen muss Tom Wolf nicht lange überlegen: „Ganz klar die Stadtsporthalle“, sagt der 14-Jährige mit einem Grinsen im Gesicht. Zugegeben: Die Antwort war zu erwarten. Immerhin geht es hier um einen Handballer, der in Hessen zu den größten Talenten seines Jahrgangs gehört. Da liegt jener Ort, den er tagein, tagaus besucht, doch auf der Hand.

Seit dem 19. Oktober 2020, dem ersten Tag nach den Herbstferien, lebt Tom Wolf in Nordhessen. Er wohnt in einer Handball-Wohngemeinschaft. Zusammen mit acht weiteren Nachwuchsspielern der MT Melsungen. Der Bundesligist ist seit Jahren für seine vorzügliche Ausbildung bekannt. Nun darf sich auch der Rechtshänder dort beweisen.

Alles beginnt vor knapp einem Jahr. Am 9. Februar 2020 verliert Tom Wolf mit seiner Mannschaft, der männlichen Jugend C der HSG Wetzlar (heute HSG Dutenhofen/Münchholzhausen) mit 15:31 gegen die MT Melsungen, die später auch den Staffelsieg in der Oberliga bejubelt. Der damals 13-Jährige darf sich dennoch irgendwie als Gewinner fühlen. Denn der linke Rückraumspieler, der in diesem Duell fast die Hälfte aller Wetzlarer Treffer erzielt (sieben), hinterlässt bei den Trainern des Gegners Eindruck.

Die Folge: Tom Wolf und seine Eltern Holger und Sandra denken ernsthaft darüber nach, einen Wechsel nach Melsungen zu vollziehen. Nicht, weil es dem Talent bei den Grün-Weißen nicht gefällt. Es ist vielmehr der hohe Aufwand, den der Teenager betreiben muss, um in der Sporthalle Dutenhofen stehen zu können. Tom Wolf, der in Homberg/Ohm lebt, klärt auf: „Wenn ich um kurz nach 15 Uhr von der Stiftsschule Amöneburg nach Hause gekommen bin, musste ich gleich zum Bahnhof nach Gemünden, denn keine halbe Stunde später ging mein Zug. Um 17 Uhr hatte ich Training, am späten Abend gegen 21 Uhr, wenn der Zug pünktlich war, war ich dann wieder zu Hause. Das ist auf Dauer einfach zu viel gewesen.“

Im Sommer des vergangenen Jahres geht dann schließlich alles ganz schnell. Eine Woche trainiert Tom Wolf bei den Talenten der MT mit und lebt zu dieser Zeit dort auch im Internat. Alles auf Probe. Danach sind sich alle Beteiligten einig: Der 14-Jährige soll den Schritt probieren. Die Eltern unterstützen den Sohn und finanzieren den Aufenthalt im Schwalm-Eder-Kreis mit. Aber auch die MT Melsungen macht viel möglich, um den Schlaks (1,94 Meter) bei sich aufzunehmen. „Eigentlich“, betont Tom Wolf, „war kein Zimmer mehr für mich frei. Spontan haben die Verantwortlichen mir aber den Aufenthaltsraum zur Verfügung gestellt“.

Knapp vier Monate wohnt er nun schon in Melsungen und besucht dort die Gesamtschule, die nicht weit von der Wohngemeinschaft entfernt ist. Gut eingelebt habe er sich und sei dabei super von den Mitspielern aufgenommen worden, betont der Hessenauswahlspieler des Jahrgangs 2006. Bis zu zehnmal die Woche steht auch während der Corona-Pandemie Training auf dem Programm (die MT Melsungen gehört mit ihren Internatsstrukturen zum Spitzensport), darunter viermal am Nachmittag, wenn viele Mitschüler von ihm eine Freistunde haben.

Doch die Arbeit lohnt sich. Mit Marcel Köhler hatte er in Wetzlar schon einen „überragenden Coach“ (O-Ton Tom Wolf), aber auch in Melsungen, genieße er eine sehr gute Ausbildung. So arbeite sein Trainer, der ehemalige Olympiasieger Georgi Sviridenko, an etlichen Details, um seine Schützlinge besser zu machen. Der 14-Jährige nimmt die Ratschläge dankbar an. Dass er nicht bei der C-Jugend, sondern bereits bei der B- und A-Jugend trainiert, zeigt, wie groß das Vertrauen der MT-Verantwortlichen in ihn ist.

Ein Grund, warum er nicht in seiner Altersklasse die Einheiten absolviert, war allerdings auch, dass Tom Wolf die Saison eigentlich beim Ligakonkurrenten HSG Dutenhofen/Münchholzhausen noch zu Ende spielen wollte. Das hatte er mit allen Beteiligten klar kommuniziert. Dafür wäre er sogar freitags ins Abschlusstraining der Grün-Weißen gekommen. Doch wegen des Virus war an eine Runde nicht zu denken. Dennoch wollte Tom Wolf den Schritt nach Nordhessen jetzt schon machen, auch wenn er auf dem Papier noch für einen anderen Verein auflief. Vor allem wegen der Schule. „Ich hatte Latein als Hauptfach und Englisch nur als Nebenfach, aber hier in Melsungen ist es Hauptfach. Da wollte ich nicht so viel verpassen und den Anschluss finden.“

Eine weise Entscheidung. Denn bei der MT Melsungen legen sie großen Wert darauf, dass die Talente die Schule gewissenhaft erledigen. Dafür haben sie extra einen Pädagogen für die Hausaufgabenbetreuung engagiert. Und so sitzen die jungen Handballer der Wohngemeinschaft nach dem Mittagessen – der Verein hat eine Köchin abgestellt – zusammen und erledigen ihre Aufgaben für die Schule.

Nur: Bei der täglichen Wäsche oder beim Zimmer sauber machen ist niemand da. Das muss Tom Wolf alleine erledigen. „Das habe ich vorher noch nie gemacht. Da weiß man erst einmal, was einem zu Hause abgenommen wurde“, erklärt der 14-Jährige mit einem Lachen. Wenn dann das Training am Nachmittag vorbei ist, steht noch das Abendessen in Eigenregie an, ehe meistens FIFA-Turniere auf der Playstation auf die Handball-Talente warten. „Da geht es auch mal ernst zur Sache“, sagt Tom Wolf. Nun habe er viel mehr Freizeit als noch vor einem Jahr, als er immer nach Dutenhofen pendelte.

Doch obwohl es in Melsungen passt: So oft es geht, kommt er an den Wochenenden nach Hause. Seine Freunde und natürlich seine Eltern und den jüngeren Bruder Max vergisst er nicht. „Sie und auch meine Mannschaft haben den Schritt verstanden“, erklärt er. Freilich ein großer Schritt, aber weitere sollen folgen. Die Bundesliga ist gewiss ein Ziel. „Ich hoffe es natürlich“, betont Tom Wolf. Die vielen Trainingseinheiten in der Stadtsporthalle sollen schließlich nicht umsonstss gewesen sein. Auch wenn dieses Gebäude der Lieblingsplatz des Ausnahmetalents ist.

(c) Tim Straßheim / Wetzlarer Neue Zeitung