MT TALENTS: WENN DER ATHLETIK-TRAINER PLÖTZLICH VOLL IM RAMPENLICHT STEHT … (TEIL 2)

Im zweiten Teil unseres Interviews mit Dr. Florian Sölter, dem Athletik-Trainer der MT Melsungen, geht es vor allem um die möglichen Folgen der Corona-Unterbrechung im (Leistungs-)Sport, insbesondere natürlich bei den MT Talents. Welche Auswirkungen hat diese für uns alle sehr extreme Zeit zu einen für die Jugendlichen auf ihrem Weg in die sportliche Zukunft, und was ergeben sich eventuell auch für neue Ansätze hinsichtlich der Arbeit innerhalb des Trainerstabes?

- Florian, gesetzt den hypothetischen Fall, die A-Jugend hätte doch noch weiterspielen müssen. Wäre das nach derzeitigem Trainings- und Fitnessstand aus Sicht des Athletik-Coaches überhaupt zu verantworten gewesen?

Ich muss sagen, wenn es dazu gekommen wäre, dass wir hätten weiterspielen müssen, wären wir glaube ich gut vorbereitet gewesen. Bevor die Saison endgültig abgebrochen wurde, haben wir im angepassten intensiven Bereich durchgehend weitertrainiert. Von daher hätte ich nicht so die Bedenken gehabt. Unabhängig davon glaube ich aber auch, dass die Saison nicht von jetzt auf gleich weitergegangen wäre, sondern dass man wahrscheinlich noch bis zu drei Wochen gehabt hätte, um zum Beispiel die Schulter ein bisschen aktiver zu bekommen und in den Feinschliff wieder hinein zu gehen. Man schaut ja auch in solchen Zeiten immer mal wieder, was andere Vereine und Mannschaften so machen und da glaube ich, wären wir ganz gut vorbereitet gewesen. In der Tabelle standen wir sowieso gut mit den MT Talents und ich denke, da wäre noch einiges möglich gewesen.

- Beeinflusst oder verzögert eine solche "Stillstands-Phase" die körperliche Entwicklung der Jugendlichen auf dem eventuellen Weg in eine mögliche Profi-Karriere?

Ehrlich gesagt glaube ich das nicht. Denn gerade eine solche Phase des „Stillstands“, der bei genauem Hinsehen gar keiner ist, kann eigentlich gut dafür genutzt werden, um Defizite aufzuarbeiten. Während der Saison ist es häufig so, dass man durch den Spielbetrieb nicht so intensiv trainieren kann, weil natürlich auch jeder Trainer einer Mannschaft seine Truppe immer zusammen haben möchte. Da liegt der Fokus oft darauf, dass jeder Spieler am Wochenende fit und einsatzfähig ist. Natürlich kann man Defizite auch während der Saison ein Stück weit aufarbeiten, hat aber immer noch das handballspezifische Training, wodurch man nicht so intensiv im athletischen Bereich aktiv werden kann. Deswegen glaube ich, dass eine solche Phase wie wir sie jetzt haben, auch ganz gut und sinnvoll genutzt werden kann. Andere Nationen, wie zum Beispiel Frankreich, legen wesentlich mehr Wert auf Athletik als wir im deutschen Bereich. Bei uns steht eher die Technik im Vordergrund der Jugendausbildung. Mit besserer Athletik bin ich zwar nicht automatisch sofort ein besserer Handballspieler, habe aber die Möglichkeit dazu. Also wenn ich athletisch austrainiert bin, kann ich zwangsläufig etwas schneller laufen oder höher springen, kann mich im Eins-gegen-Eins deutlich gewinnbringender einsetzen. Gerade durch solche Fähigkeiten habe ich dann im Handball ganz andere Möglichkeiten. Zum Beispiel besseres Sprungvermögen gibt mir in der Luft diesen vielleicht entscheidenden kleinen Moment mehr Zeit zu überlegen, welche Wurfvariante ich wähle. Vor diesen Hintergründen glaube ich also nicht, dass eine solche Phase des „Stillstands“ nachteilig ist sondern sehe, wenn man sie sinnvoll und effektiv nutzt, eher die Vorteile darin. Ein weiterer Aspekt ist, dass man, je austrainierter man im athletischen Bereich ist, aktiv die Verletzungsanfälligkeit verringern kann.

- Seit fast genau zwei Wochen ist die Saison nun beendet; gemessen an den normalen Abläufen der Sommerpause viel zu früh. Ab wann startet denn der Aufbau für die kommende Saison?

Der Aufbau für die kommende Saison ist bereits gestartet. Wir haben uns mir den Verantwortlichen und den Mannschaftstrainern schon zusammengesetzt und die weitere Vorgehensweise in der Vorbereitungsphase geplant. Es ging damit auch sofort los. Natürlich ist es aber so, dass die Intensität noch längst noch nicht so hoch ist wie unmittelbar vor dem Beginn einer Saison. Aber wir wollen die Zeit natürlich effektiv nutzen.

- Hat die ungewohnte zeitliche Streckung der Wettkampfpause große Auswirkungen auf die Dosierung des Athletik-Trainings?

Natürlich hat das eine große Auswirkung, weil wir jetzt viel, viel mehr im Grundlagenbereich arbeiten. Wir gehen gewissermaßen „back tot he basics“, um über die Jahre entstandene Defizite abbauen zu können. Auch, um im weiteren Verlauf der kommenden Wochen und Monate, wenn hoffentlich die Hallen wieder offen sind, vermehrt im handballerischen Bereich arbeiten zu können, ohne auf diese Dinge zu große Rücksicht nehmen zu müssen. Mit Defiziten ist in diesem Fall beispielsweise gemeint, dass bei Handballern der Wurfarm meist deutlich ausgeprägter ist. Das kann man jetzt ganz gut aufarbeiten. In der Beinachsen-Stabilität kann man sehr gut mit dem eigenen Körpergewicht viel erreichen. Oder die Schulung der Grundlagen-Ausdauer ist im Schüler- und Jugendbereich ein ganz wichtiger Punkt. Da machen wir uns jetzt ran, um dann später, wenn wir wieder in die „heiße Phase“ kommen, in die Intervalle gehen zu können. Das baut direkt aufeinander auf, denn mit guter Grundlagen-Ausdauer kann der Körper diese Intervalle wesentlich besser verkraften. Man hat bessere Regenerationsfähigkeiten, ist schneller wieder fit und weit weniger verletzungsanfällig. Im Verlauf der weiteren Vorbereitung werden die Einheiten dann immer intensiver, so dass wir jetzt zwar keine Pause haben, aber über die Belastungsintensität und -umfänge natürlich angepasst trainieren. Es soll nicht so sein, dass nach dieser langen Ausbauphase gerade wenn es wieder startet das Gefühl kommt, „jetzt reicht’s, ich könnte eine Pause gebrauchen“.

- Gibt es Erkenntnisse aus diesen quasi aufgezwungenen neuen Wegen, die Du dennoch als positiv empfindest und die Du auch später in dieser Form fortführen möchtest?

Neue Erkenntnisse gibt es auf jeden Fall. Es ist schon so, dass man jetzt durch diese ungewohnte Situation gezwungen ist, seine eigenen Trainingspläne und –verifizierungen noch einmal  zu überdenken. Einfach, weil wir jetzt deutlich mehr Zeit und gleichzeitig nicht die Mittel zur Verfügung haben wie sonst. Von daher finde ich solche Phasen, auch wenn sie nicht schön sind, trotzdem ganz gut. Weil es hilft, sich selbst noch einmal zu überdenken, zu reflektieren: was habe ich in der Vergangenheit gemacht und was davon kann ich jetzt situationsbedingt nicht machen. Wo und was und wie muss ich variieren. Was ist aber so wichtig, dass ich es dennoch sicherstellen muss und worauf kann ich eventuell verzichten. Von daher kann ich aus dieser Zeit schon auch Positives ziehen. Wir wissen jetzt, was wir für die Zukunft im Vorfeld alles klären müssen um bestmöglich vorbereitet zu sein, falls so etwas noch einmal wiederkommt. Uns kam zugute, dass wir auch bisher schon Einheiten gemacht haben, wo die Jungs beispielsweise mit Pulsuhr eigenständig laufen mussten. Deshalb klappt das aktuell alles sehr gut, auch mit den Rückmeldungen, und deshalb werden wir das in jedem Fall weiter fortführen. Trotzdem hoffe ich, dass sich die Situation bald wieder ändert und wir wieder gemeinsam trainieren können. Natürlich gibt es Möglichkeiten wie Videotraining, wovon ich aber nicht so der Freund bin, sondern doch lieber mit den Athleten direkt zusammen arbeite. Der direkte Kontakt zu den Mitmenschen ist doch mit ein Grund, warum man diesen Job ausübt.

- Ganz viel Input, Florian, ganz viel Einblick in Deine Arbeit und für Außenstehende in Teilbereichen sicher eine völlig neue Sicht auf die Lage. Wenn Du all das jetzt in nur ganz wenigen Sätzen zusammenfassen müsstest, wie würden die lauten?

Wir haben auf jeden Fall einiges Positives aus der misslichen Lage gezogen, glaube ich. Auch, dass wir mit der Situation, wie sie sich darstellt, ganz gut umgehen können. Wenn es aber jetzt nach den aktuellen Lockerungen hoffentlich bald wieder richtig losgeht und die Jungs wieder alle vor mir stehen, ist es so, dass ich mich auf diesen Moment freue. Ich hoffe, die Jungs tun das auch. Dann wird es gesund und erfolgreich weitergehen und ich denke mal, nächste Saison sieht alles wieder ganz anders aus. Wir werden wieder angreifen können und es geht munter weiter mit dem Handball und den MT Talents.


In den Startlöchern für die Zeit nach Corona: Athletik-Trainer Dr. Florian Sölter schaut positiv in die Zukunft und freut sich, wenn es für die MT Talents endlich wieder losgeht. (Archiv-Foto: AKF)