Aus der Traum vom Pokal-Final4

Die MT Talents haben den Einzug ins Pokal-Final4 der Jugendhandball-Bundesliga verpasst. Oder besser: Sie haben es durch eine eigentlich völlig unnötige, dadurch aber nicht etwa unverdiente, 24:26 (10:13)-Niederlage bei der Bonner JSG selbst verspielt.

Bis auf ein kleines Aufflackern in der zweiten Hälfte blieb der Nachwuchs von Bundesligist MT Melsungen über nahezu die gesamte Spielzeit insbesondere im Angriff fast alles schuldig, was seine Stärke eigentlich ausmacht. Die Bonner JSG zieht damit ins Finalturnier des DHB-Pokals ein und hat darüber hinaus die Chance, sich schon im ersten Anlauf der nachfolgenden Qualifikation noch ein Ticket für die 1. Bundesliga der kommenden Saison zu sichern. Diese Möglichkeit behalten die MT Talents zwar ebenfalls, müssen auf ihre Chance aber noch etwas warten.

Nur kurz währte das Abtasten nach dem 30:30 im Hinspiel, dann legten sie los. Zuerst Bonn mit zwei Volltreffern, dann die MT Talents im Doppelpack. Jeweils eine feine Parade der Torhüter, dann wieder Feuer frei aus allen Rohren. Nervosität bei diesem so wichtigen Spiel? Erst einmal Fehlanzeige. Sieben Tore in zweieinhalb Minuten sprechen eine deutliche Sprache, was die Intensität der Partie in diesen Anfangsminuten anging. Ein ganz klein wenig überschaubarer wurde es erst, als nach Oleksii Tsymbaliuks 4:4 (5.) Moritz Czerwinski im Bonner Tor an seine Form der Vorwoche anzuknüpfen begann. Drei Paraden lieferte er ab, schon führten die Hausherren mit 7:5 (10.).

Erschwerend für die Nordhessen kam hinzu, dass Tom Wolf nicht annähernd die Treffsicherheit des Hinspiels erreichte. Nach den ersten drei Fehlwürfen nahm ihn Trainer Florian Maienschein das erste Mal raus und schwor ihn neu ein, gut zehn Minuten später noch einmal. Es wollte einfach nichts klappen vorn, Czerwinski wurde zudem auch von Wolfs Nebenleuten regelrecht warmgeschossen. Das Resultat der Angriffsflaute: ein 6:10-Rückstand (14.), der in seiner Deutlichkeit auch völlig in Ordnung ging.

Das Anfangstempo wich, die extreme Intensität blieb. Mit unterschiedlichen Herangehensweisen. Während Bonn den Druck über die gesamte Spielfeldbreite verteilte und konstant aufrechterhielt, spielte Melsungen viel quer, spähte aus der Ferne auf sich bietende Lücken und stieß dann hinein. Oder besser: versuchte es. Denn viele Gassen taten sich da nicht auf. Und so lastete viel Druck auf dem Distanzschützen Tom Wolf, der allerdings auch ständig beharkt wurde und überhaupt nicht in Schwung kam.

Glück für die Nordhessen, dass die Abwehr passabel funktionierte und sich Marius Knop zu steigern wusste. So robbten sie sich nach zwischenzeitlichem 7:12-Rückstand (23.) bis zur Pause wieder leicht heran. Allerdings wurde aus den erzielten Ballgewinnen zu wenig gemacht. Viel zu selten ging es in den direkten Gegenstoß, das Tempo wurde teils regelrecht verweigert.

Auch der Start in die zweite Hälfte ging direkt daneben, als Jonathan Atting der Ball einfach aus der Hand rutschte. Levi Kaestner freute sich und erhöhte prompt auf 14:10. Es war vielleicht der entscheidende Fehler zu viel, denn danach rissen sich die Melsunger endlich zusammen. Spielten das, was sie können. Erst machte Atting seinen Lapsus wieder wett und lief den Tempogegenstoß zum 13:14-Anschluss (34.), dann tauten Lasse Ohl und Tom Wolf auf. Sehenswert der Pass von Wolf auf Ohl zum Ausgleich (15:15, 36.), und noch schöner das Anspiel des Torjägers auf Jost Liebergesell, der sich hinter Bonns Deckung geschlichen hatte, das Leder geschickt über Moritz Czerwinski hob und Rot-Weiß mit 16:15 (38.) nach vorn brachte.

War das die Wende? Lag ein ähnlicher Spielverlauf in der Luft wie im Hinspiel, als Bonn die klare Melsunger Führung umdrehte und den zweiten Durchgang dominierte? Nein, sie war es nicht! Ganz schnell war der Vorteil nämlich wieder dahin, weil Rechtsaußen Jakob Severin dreimal am Stück jubeln durfte. Genauso oft war Lasse Ohl erfolgreich, doch bis zu Finn Hoffmanns 20:19 (48.) änderte sich nichts am Hinterherlaufen. Noch einmal warfen die MT Talents den Turbo an, korrigierten abermals mit einem kleinen Geniestreich: Nach der elften Parade von Marius Knop sicherte Julian Braune den Ball und passte ihn kurz zu Julian Kreile. Der realisierte, dass der Bonner Rückzug sich angesichts der üblichen Melsunger Gemächlichkeit im Aufbau nur halbherzig abspielte, nahm noch in der eigenen Hälfte mächtig Tempo auf und stürmte an allen Blauen einfach vorbei – 21:20 (50.) für die Nordhessen.

Warum auch diese kleine Wende nicht zur großen wurde, war mit Blick auf das Spielfeld schwer zu ergründen. Eigentlich sprach mittlerweile sehr viel für einen Auswärtssieg. Was das über die volle Spielzeit euphorische Publikum jedoch keinesfalls akzeptieren wollte. Der Lautstärkepegel stieg, der Funke sprang über. Vor allem zu Moritz Czerwinski, der mit einer spektakulären Doppelparade Tom Wolf und im Nachwurf Lasse Ohl entzauberte. Nach zuvor schon wieder zwei Hoffmann-Toren schlug nun Levi Kaestner zu: 23:21 (54.) für die Bonner JSG.

Die verbleibenden Minuten wurden zum Kampf gegen die Uhr, weil die Hausherren geschickt verzögerten und den Gästen, wenn sie den Ball einmal erobert hatten, reihenweise Fehler unterliefen. Zwar setzte Tom Wolf in der heißen Schlussphase noch einmal drei Bälle in den Kasten, warf aber dafür einen Siebenmeter glatt neben das Tor. Auch Leon Stehl unterliefen ungewohnte Fehler: Erst eroberte er das Spielgerät, brachte es in der Vorwärtsbewegung aber nicht unter Kontrolle. Dann versuchte er sein Glück mit einem Heber, was Moritz Czerwinski ahnte und parierte. So blieb es beim Hoffnungsschimmer des späten Comebacks zum 24:24 (59.), ehe Bonn den Sack in der letzten Spielminute zuschnürte und den Einzug ins Final4 feiern durfte.

0:2 (3.), 2:2 (3.), 5:5 (7.), 5:7 (10.), 6:10 (14.), 7:12 (23.), 9:12 (25.), 10:13 (Halbzeit), 10:14 (34.), 13:14 (34.), 16:15 (38.), 16:17 (40.), 19:20 (48.), 21:20 (50.), 21:23 (54.), 24:24 (59.), 24:26 (Ende).

Stimmen zum Spiel

Florian Maienschein: Wir haben unser Potential schon in der ersten Halbzeit nicht abrufen können. Fast die ganze Zeit haben wir mit angezogener Handbremse gespielt. Dabei waren wir immer, wenn wir mal ins Tempo gekommen sind, auch erfolgreich. Aber im Positionsspiel gegen diese defensive Deckung von Bonn war das zu statisch. Die zweite Halbzeit war dann wesentlich couragierter mit einer sehr guten Abwehr. Leider wurden wir irgendwann wieder zu offensiv, haben damit Fehler gemacht und den Gegner zu Gegenstößen eingeladen. Zu viele Fehler führen auf diesem Niveau aber dazu, dass man nicht erfolgreich sein kann.

Julius Palmen: Die Halle und unser Publikum haben heute den Ausschlag gegeben. Das war unsere Rückendeckung und unsere Fans haben uns nach vorn gepusht. Vor allem, als wir Mitte der zweiten Hälfte eine Phase hatten, in der wir zu viele Fehler gemacht haben. Die erste Hälfte war bei uns wie aus einem Guss. Hinten hatten wir Tom Wolf und Lasse Ohl sehr gut im Griff, im Angriff ist unsere Rechnung auch aufgegangen. Klar, Melsungen hat sehr gute Spieler. Aber die können auch nicht 60 Minuten voll durchspielen.

Statistik

MT Talents: Knop (11 Paraden / 23 Gegentore), B. Wolf (3 P. / 3 G.) – Tsymbaliuk 3, Kepper, Kreile 1, Wilfer, T. Wolf 7/1, Stehl 3, Schröder, Liebergesell 1, Braune 1, Ohl 6, Atting 2 – Trainer Florian Maienschein.

Bonner JSG: Czerwinski (1 Tor / 15 P. / 24 G.), Suthhof (n. e.) – Severin 3, Nuesse 1, Hoffmann 8/1, Bieler 1, Schmieder 2, Fricke 3, Kaestner 4, Bitzer 1, Weber, Rohde 1, Sander 1, Jansen – Trainer Julius Palmen.

Z: 1.000 - SR: Pit Hegebart / Leon Schönberger (Eltville / Heidenrod) - Strafen: 6 : 4 Minuten – 7m: 2/1 : 1/1.