Nach der Pause den Faden verloren
Eine Halbzeit lang sah es beim 34:40 (19:16) der MT Melsungen 2 gegen den TV Bissendorf-Holte so aus, also habe die sieben Spiele währende Ungeschlagenen-Serie Bestand. Dann kippte das Spiel.
Die erste Überraschung wartete bereits vor dem Anpfiff: Der komplette Förderkader der MT Melsungen fehlte im Aufgebot. Insgesamt standen Trainer Finn Lemke damit nur zwölf Spieler zur Verfügung, die ihre Sache jedoch anfangs hervorragend machten. Ungewohnt zwar der Abwehr-Innenblock mit Benni Fitozovic neben Florian Weiß, dafür umso stärker. Es war für die Gäste erst einmal kaum Durchkommen. Zumal Jannik Büde dahinter im Tor keinerlei Anlauf brauchte, um Bissendorfs Schützen „drauf“ zu haben. Wenig überraschend also die 6:3-Führung durch einen Doppelpack des überwiegend defensiv eingesetzten Oleksii Tsymbaliuk, der aber zweimal die erste Welle nach Ballgewinnen mitging und jeweils traf.
Allerdings gefielen sich die Spieler von TV-Trainer Andrej Kurchev, der vor 18 Jahren selbst das Bundesliga-Trikot der MT trug, nicht in der Rolle des vermeintlich unterlegenen Aufsteigers. Im Gegenteil liefen sie von Beginn an Angriffe in hoher Frequenz. Und nach kurzer Eingewöhnung auch mit der nötigen Effizienz, um die Partie offen zu gestalten. Nach und nach mit kleinen Vorteilen sogar, die aber durch den ganz starken Büde nahezu kompensiert werden konnten. Trotzdem schrumpfte der Vorsprung durch Strafen, weil die Unparteiischen zwar mitunter kleinlich pfiffen, dafür aber souverän und ausgeglichen.
Es kippte vorübergehend sogar, als MT2-Kopf Rene Andrei (Foto: Heinz Hartung) draußen saß. Plötzlich 11:13 (Albert Brack, 23.) nach einem 0:4-Lauf und die Vorzeichen umgekehrt. Da brauchte es die kollektive Stärke von Büde, Andrei und auch Martin Reinbold, der dreimal in direkte Folge vom Kreis erfolgreich war – 17:15 (29.) nach sehenswertem Rückhand-Tor des erfahrensten Melsungers unter härtester Bedrängnis. Als Fabian Rußwinkel kurz vor Halbzeit auf die Bank musste, trafen Rene Andrei und sogar Jannik Büde ins verlassene gegenüberliegende Gehäuse und bauten etwas glücklich, aber nicht unverdient, wieder auf plus drei aus.
Was hätte Sicherheit geben müssen, ging nach dem Seitenwechsel nach hinten los. Kein Zugriff hinten, kein Zielwasser vorn. Logische Folge war der schnelle Ausgleich zum 20:20 (34.) durch Dennis Bormanns Tempogegenstoß. Nachdem Jan Grolla einen fatalen Fehlpass gespielt hatte. Und doch passte es zur Geschichte des Spiels, dass der Linkshänder in seiner nächsten Aktion den alles andere als leichten Wurf aus fast zehn Metern krachend in den Winkel jagte. Licht und Schatten wechselten in schneller Folge, alles war offen. Jedenfalls bis Rene Andrei zum 23:22 (37.) traf.
Das war jedoch schon in genau der Phase, da Fabian Rußwinkel das Spiel komplett an sich riss. Ein ums andere Mal spazierte der Halblinke durch die Melsunger Deckung, traf, nur unterbrochen eben von Andrei, fünfmal hintereinander. Mit der Folge, dass die Bissendorfer plötzlich wieder mit 25:23 vorn lagen und diesen Vorteil, durch weitere vier Volltreffer von Rußwinkel, auf 31:26 (48.) ausbauten. Da half es wenig, dass Aaron Henne nach langer Leidenszeit sein Comeback feierte und die ersten Spielminuten im Melsunger Trikot absolvierte. Auf der Halbposition vermochte er den Bissendorfer Goalgetter zu stellen, doch der zog dann eben über die Mitte zum Erfolg.
Es war sicher nicht so, dass sich die Nordhessen aufgegeben hätten. Im Gegenteil stockte Rene Andrei sein Torekonto ähnlich unwiderstehlich auf wie Rußwinkel. Der frisch von der Bank gekommene Jost Liebergesell tankte sich bei angezeigtem passivem Spiel durch und traf, ebenso Henne in seiner ersten offensiven Aktion. Alle stemmten sich trotz sichtbar nachlassenden Kräften gegen die drohende Niederlage. Auch Jan Lasse Herbst mit einigen sehenswerten Paraden, nachdem er Jannik Büde schon früh in der zweiten Hälfte abgelöst hatte und dann ebenfalls erst einmal keine Hand an den Ball brachte. Indes, es nutzte alles nichts mehr. Als auch das letzte taktische Mittel mit der Umstellung auf eine 3:3-Deckung gegen den TV-Rückraum ins Leere lief und dafür Bissendorfs Außen erfolgreich in die Bresche sprangen, war die Partie gelaufen und die erste Niederlage der MT 2 nach siegen ungeschlagenen Spielen besiegelt.
Ehemaligen-Treffen nach der Partie
Im Anschluss an das Spiel war Zeit für Erinnerungen. „Panther“ Predrag Kontic, TV-Trainer Andrej Kurchev, MT2-Cotrainer Petr Hruby sowie Karsten Wöhler trugen einst 2006 das Trikot der MT und erkämpften im zweiten Jahr der Melsunger Bundesliga-Zugehörigkeit gemeinsam den Klassenerhalt. Damals ebenfalls dabei war MT-Aufsichtsratsmitglied Daniel Holl, der diesmal leider nicht in der Halle sein konnte. Eingerahmt wird das ehemalige Erfolgsquartett von Ivan Kurchev und Elias Wöhler, quasi der Nachfolgegeneration. Die beiden Söhne traten an diesem Abend gegeneinander an. Und nach dem Schlusspfiff war natürlich, ungeachtet des Resultats, Wiedersehensfreude an gemeinsamer alter Wirkungsstätte angesagt.
Die vier in der Mitte spielten einst miteinander, zwei ihrer Söhne heute gegeneinander: Von links: Ivan Kurchev, Predrag Kontic, Andrej Kurchev, Petr Hruby, Karsten Wöhler, Elias Wöhler (Foto: Heinz Hartung)
Statistik
MT Melsungen 2: Büde (1 Tor / 11 Paraden / 20 Gegentore), Herbst (6 P. / 20 G.); Henne 1, Grolla 4, Reinbold 6, Tsymbaliuk 2, Liebergesell 1, Wöhler 2, König 1, Fitozovic 2, Andrei 12/3, Weiß 2 – Trainer Finn Lemke.
TV Bissendorf-Holte: Ullrich (10 P. / 31 G.), Kosubek (0 P. / 2 G.), Behrenswerth (bei einem 7m, 0 P. / 1 G.) – Reinecke, Seger 2, Tamms 1, Brack 5, Kastner, C. Rußwinkel 6, Bormann 6, Goldbeck, F. Rußwinkel 12, Schüring, Goldmeyer 1, Kurchev, Isfahani 7/3 – Trainer: Andrej Kurchev.
Schiedsrichter: Stefan Hermschröder / Mark Moch (Herzebrock-Clarholz / Gehrden) - Zeitstrafen 14 : 12 Minuten - Strafwürfe 3/3 : 3/3 - Zuschauer: 103.
Verlauf: 0:1 (2.), 2:1 (4.), 6:3 (9.), 7:6 (12.), 10:7 (14.), 11:9 (18.), 11:13 (23.), 15:15 (27.), 19:16 (Halbzeit) – 19:18 (32.), 20:20 (34.), 23:22 (37.), 23:25 (40.), 24:27 (42.), 26:31 (48.), 29:34 (54.), 31:37 (57.), 34:40 (Ende).