Teufelskerl Simic – MT bezwingt Rhein-Neckar Löwen 30:23

Das war großes Torwart-Kino: Die MT Melsungen hat das Topspiel am 11. Spieltag der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga gegen die Rhein-Neckar Löwen mit 30:23 (16:12) gewonnen. Vor ausverkauften Rängen in der Kasseler Rothenbach-Halle avancierte MT-Schlussmann Nebojsa Simic zum Mann des Abends.

Die MT Melsungen hat sich ganz schnell von ihrer unbefriedigenden Berlin-Reise erholt und mit dem 30:23 über die Rhein-Neckar Löwen erfolgreich positive Frustbewältigung betrieben. Vor 4.500 Zuschauern in der restlos ausverkauften Kasseler Rothenbach-Halle lagen die Gastgeber über die vollen 60 Minuten mehr oder weniger klar vorn.

Was beim Gast zwischendurch mal an Hoffnung aufkeimte, machte insbesondere Teufelskerl Nebojsa Simic (16 Paraden) ebenso umgehend wie zuverlässig zunichte. Vorn traf Mannschaftskapitän Timo Kastening siebenmal einmal mehr als Jannik Kohlbacher für die Löwen.

Die wichtigste Personalie bei der MT vor dem Spiel: David Mandic war noch nicht so weit wieder auf dem Damm, dass er in der Startbesetzung hätte stehen können. Seine Zeit sollte erst nach der Halbzeit kommen. Den Part am linken Flügel übernahm vorn zunächst Florian Drosten, in der Deckung Julius Kühn. Was auch bedeutete, dass Trainer Roberto Garcia Parrondo auf eine klassische 6:0-Deckung setzte, in der Elvar Örn Jonsson und Adrian Sipos das Zentrum besetzten. Letzterer wiederum machte offensiv für Arnar Freyr Arnarsson Platz. Zwei permanente Wechsel mussten also sein, was anfangs etwas hektisch aussah.

Trotzdem behielten die Melsunger immer den Überblick. Insbesondere dann, wenn überhaupt kein Wechsel nötig war. So traf Timo Kastening nicht nur von der Siebenmeterlinie, sondern auch im Tempogegenstoß und Dainis Kristopans, der den Vorzug gegenüber Ivan Martinovic erhielt, über die erste Welle. Weil Jonsson aus dem Rückraum nicht lange fackelte und Kastening nach feinem Kristopans-Pass auch von außen traf, führten die Gastgeber nach zehn Minuten mit 5:2.

Ebenfalls voll auf der Höhe: Nebojsa Simic. Seine bereits vierte Parade war eine wahrhaft sensationelle, nämlich im Fast-Spagat knapp eineinhalb Meter über dem Hallenboden mit der rechten Fußspitze. Sofort war die ohnehin schon prächtige Stimmung auf den Rängen nochmal gesteigert. Trotzdem gab es zwischendurch auch leidvolles Aufstöhnen in beiden Fan-Lagern. Hüben, als der vermeintliche Treffer von Kristopans wegen einer falschen Sperre am Kreis zum Ballverlust wurde, drüben durch Gustav Davidssons völlig freien Wurf von halblinks glatt am Kasten vorbei. Gefolgt sofort wieder von ohrenbetäubendem Lärm, als Elvar Örn Jonsson das Leder aus neun Metern krachend zum 8:5 (17.) unter die Latte setzte.

Taktisch interessant wurde es, als Roberto Garcia Parrondo mit Ivan Martinovic neben Kristopans den zweiten Linkshänder im Rückraum aufs Feld beorderte. Und dann beide innerhalb von nur 16 Sekunden prompt zum 10:6 (19.) erfolgreich waren. Dass Martinovic gegen seinen zukünftigen Arbeitgeber nicht von Anfang an ran durfte, schien eher zusätzliche Motivation. Grandios sein gemeinsam mit Rogerio Moraes gelaufener Gegenstoß, dem er das 13:9 (24.) uneigennützig auflegte. Bis auf 15:10 (Kastening, 27.) wuchs der Vorsprung an, von dem die Löwen nur noch minimal abknabbern konnten. Die vier Tore Differenz rettete schließlich Simic mit seiner neunten Parade unmittelbar vor der Pausensirene.

Und der MT-Schlussmann war auch maßgeblich beteiligt am Ausbau der Führung nach Wiederbeginn. Zweimal war er sofort zur Stelle, unter anderem beim Siebenmeter von Juri Knorr. Vorn veredelten Elvar Örn Jonsson und Erik Balenciaga seine Taten zum 18:12 (34.). Ehe etwas Sand ins Getriebe kam. So sehr sich das Melsunger Publikum über das schnelle Comeback von David Mandic freute, so sehr litt es mit beim Pfostenwurf des Linksaußen. Mentale Auszeit Melsungen, wie aufs Kommando Volldampf der Löwen, bei denen Joel Birlehm den Simic gab und dreimal hintereinander parierte. Vorn ging die Post ab, und Jannik Kohlbacher verkürzte per Doppelpack auf 18:16 (38.) – Auszeit Parrondo.

Das Pech mit dem Holz blieb den Gastgebern auch nach Wiederaufnahme treu. Diesmal war es Kastening, der das Runde voll ans Eckige knallte. Das machte Kohlbacher auf der Gegenseite zwar auch, bekam aber wenigstens nach Behinderung durch Mandic noch einen Siebenmeter. Den Juri Knorr glatte eineinhalb Meter über den Kasten setzte. Besser machte es Kohlbacher anschließend, die Löwen waren durch sein 19:18 (42.) wieder dran. Mehr ließen allerdings Jonsson vorn und Simic hinten nicht zu. Rogerio Moraes legte gar wieder vier zwischen die Kontrahenten – 22:18 (47.) und diesmal Auszeit Hinze.

Dass die Löwen an diesem Abend sinnbildlich verwachst hatten, war immer wieder an ihren Würfen abzulesen. Patrick Groetzki reihte sich ein in die Riege derer, die vollkommen unbedrängt den Ball nicht einmal in Richtung Tor bekamen. Der Faktor Simic steckte inzwischen ganz tief in den Köpfen drin. Auch beim jungen David Moré, dem er einen freien Versuch von außen abknöpfte und sich dafür „Simo, Simo“-Sprechchöre von den Rängen abholte. Und erst recht bei Olle Forsell Schefvert, dem er den nächsten Siebenmeter wegnahm. Jonsson vollstreckte vorn zum 24:18 (52.) – schon wieder Auszeit Hinze. Vergebens, weil unmittelbar danach Simic die Hütte bedenklich wackeln ließ: Parade Nummer 16 und der Wurf übers gesamte Feld ins gerade verwaiste Gehäuse der Rhein-Neckar Löwen zum 25:18.

Es war so etwas wie die Vorentscheidung bereits acht Minuten vor dem Ende. Zu stark die Deckung der Nordhessen, zu übermächtig dahinter Nebojsa Simic. Für die letzten zweieinhalb Minuten durften mit einer 28:22-Führung im Rücken die Youngster Manuel Hörr und Tom Wolf sowie Adam Morawski im Tor nochmal ran. Klar fehlte da dann etwas der Spielfluss. Trotzdem ließ sich der Nachwuchs an diesem Abend nicht lumpen: Tom Wolf jagte das Leder in der letzten Spielminute zum 29:23 ins Netz, Manuel Hörr setzte sich Sekunden vor dem Ende kraftvoll zum Kreis durch und verbuchte den Schlusspunkt zum grandiosen Erfolg über die Rhein-Neckar Löwen. 

Stimmen zum Spiel
Roberto Garcia Parrondo:
Ich möchte zuerst einmal meiner Mannschaft zum Sieg gratulieren. Sie hat von Anfang an mit unheimlich viel Intensität gespielt. Und wir haben gezeigt, dass wir mit genau dieser Intensität gegen die besten Mannschaften der Liga, zu denen die Rhein-Neckar Löwen gehören, mithalten können. Jetzt kommt allerdings leider gleich erstmal eine kleine Pause im Spielplan auf uns zu.

Sebastian Hinze: Glückwunsch an die MT zum verdienten Sieg. Wir decken eigentlich über das gesamte Spiel ganz gut und kommen auch gut ins Tempospiel. Schaffen es aber nicht, aus Abwehr und Tempo den richtigen Ertrag zu ziehen. Anfang der zweiten Hälfte kommen wir zwar mit den genannten Faktoren und auch durch Joel Birlehm wieder heran, lassen dann aber vor allem gegen Simic zu viel liegen. Melsungen macht das aber auch stark und nutzt seine Stärken. Im Spiel sechs gegen sechs haben wir uns über das gesamte Spiel schwergetan. (Michael Koch)

Statistik
MT Melsungen:
Simic (16 Paraden / 22 Gegentore) 1, Morawski (0 P. / 1 G.); Kühn, Balenciaga 1, Mandic, Sipos, Kristopans 5, Ignatow, Moraes 3, Drosten 1, Jonsson 6, Arnarsson, Wolf 1, Hörr 1, Martinovic 4/2, Kastening 7/2 – Trainer Roberto Garcia Parrondo.

Rhein-Neckar Löwen: Appelgren (2 Paraden / 11 Gegentore), Birlehm (9 P. / 19 G.) Späth (n.e.); Kirkelokke 5, Plucnar, Knorr 2/2, Moré 4, Holst 1, Davidsson 1, Groetzki 2, Schefvert 1, Gislason, Lindenchrone 1, Jaganjac, Zacharias, Kohlbacher 6 – Trainer Sebastian Hinze.

Schiedsrichter: Ramesh Thiyagarajah (München) / Suresh Thiyagarajah (Köln); DHB-Spielaufsicht:Thorsten Zacharias

Zeitstrafen: 4 – 10 Minuten (Kristopans 19:27, Kastening 27:13 – Kohlbacher 4:56, Knorr 10:54, Holst 26:55, Jaganjac 49:18/54:31)

Strafwürfe: 4/4 – 5/2 (Knorr scheitert an Simic 32:21, Knorr über das Tor 40:28, Schefvert scheitert an Simic 50:43)

Zuschauer: 4.500 in der Rothenbach-Halle, Kassel (ausverkauft)

Spielstände: 1:0 (1.), 2:0 (2.), 3:2 (4.), 6:2 (12.), 7:5 (16.), 10:6 (19.), 11:9 (22.), 13:9 (24.), 15:10 (27.), 15:12 (29.), 16:12 (30.) HZ – 17:12 (32.), 18:12 (34.), 18:16 (38.), 19:18 (42.), 25:18 (52.), 25:19 (52.), 26:20 (54.), 28:21 (57.), 28:23 (59.), 29:23 (30.), 30:23 (30.) Endstand.