Trainer und Familienmensch: Parrondos Facetten

Dass Roberto Garcia Parrondo ein akribischer Handball-Trainer ist, ist hinlänglich bekannt. Doch der Coach der MT Melsungen besitzt weitaus mehr Facetten. Ein Besuch bei Familie Parrondo:

Es gibt Tapas. Am Abend nach einem Spiel kehrt Geselligkeit ein bei den Parrondos. Für ein paar Stunden jedenfalls. Denn ein Abend nach einer Partie ist zugleich einer der Abende vor dem nächsten Spiel. Und das will vorbereitet werden. 

Gerade aber sitzt die Familie am großen Küchentisch. Hier hat Parrondos Ehefrau Maria del Carmen, von allen Mamen genannt, schon legendäre Paella serviert, die Rückraum-Shooter Aaron Mensing final davon überzeugt haben soll, zur MT Melsungen zu wechseln. Die beiden Töchter, Leyre und Ainhoa, haben sich dazu gesellt. Leyre ist gerade von einem Handballspiel zurückgekommen.

Ja, auch die Töchter spielen Handball. „Sie sind von Beginn an mit diesem Sport aufgewachsen“, sagt Roberto Garcia Parrondo, der Chefcoach der MT, „Ainhoa war schon nach drei oder vier Monaten in der Halle dabei, als ich noch selbst spielte“. „Roberto, es waren 14 Tage“, interveniert Mamen, während sie Serrano-Schinken aufschneidet. Alle lachen. 

Wer Zeit mit Roberto und seiner Familie verbringt, bei ihnen zu Hause im Zentrum Kassels, lernt eine andere Seite des 45-Jährigen kennen, der in der Öffentlichkeit eher introvertiert wirkt, maximal perfektionistisch und, wie er selbst einräumt, bisweilen obsessiv: „Diese Eigenschaft gehört eben zu mir. Also akzeptiere ich sie.“ Parrondo ist vor allem aber auch Familienmensch. Die Familie ist sein Zuhause. Sie hält ihm den Rücken frei. 

Roberto mit seinen Töchtern Leyre (links) und Ainhoa, aufgenommen beim MT-Sommerfest 2023. (Fotos: Käsler)

Das Wohl der Töchter

„Mamen und ich würden nirgendwo bleiben, wo sich unsere Mädchen nicht akklimatisieren können“, erklärt er, „das steht über allem“. In Kassel und bei der MT fühlen sie sich wohl. Zuhause sogar? „Ja, absolut“, antwortet der gebürtige Madrilene stellvertretend für alle vier, oder besser: fünf, denn auch Mischlingshündin Charlie gehört seit Parrondos Zeit in Kairo zur Familie. Die Töchter gehen auf eine internationale Schule, werden dort ihr Abitur machen. „Ich bin sehr stolz auf sie, wir haben großes Glück mit ihnen“, schwärmt Roberto von den beiden Teenagern. 

Was er bei der MT seit mehr als drei Jahren sukzessive aufbaut, hat er zu Hause längst um sich: ein eingespieltes Team. „Alles ist durchgetaktet. Anders geht es nicht, wenn man mit einem professionellen Trainer verheiratet ist“, sagt Mamen. Gemeinsam gehen sie frühmorgens ins Fitnessstudio – dabei entspanne er, sagt Roberto, „genau wie bei unseren Restaurantbesuchen, zu zweit, zu viert oder mit Freunden.“ Mindestens einmal pro Woche versuchen Mamen und Roberto, sich einen Abend in einem ihrer Stammlokale zu reservieren. Die Familie hat sich eingerichtet in Nordhessen.

Nebel von Kassel und Haus am Meer

Parrondo ist pragmatisch. Zwangsläufig. Neunmal ist er mit Mamen, mit der er seit seinem 16. Lebensjahr liiert ist, während seiner Profikarriere umgezogen: Von Madrid über Valladolid nach Léon, Ciudad Real, erneut Madrid, Szeged, Budakalász, Skopje und Kaironach Kassel. „Unsere Töchter nehmen bei jedem Umzug nur mit, was in jeweils einen großen Koffer passt“, verrät Mamen. Dies sei eine Art goldene Regel. Woran sie darüber hinaus emotional hängen, wird in ihrem spanischen Domizil in Getafe verstaut. Die Rückzugsmöglichkeit nahe den Eltern ist der Familie wichtig, das Appartement in Alicante am Mittelmer ein kleiner Traum – an der Küste will das Ehepaar Parrondo später einmal leben. Sie lieben das Meer. Und das Klima dort. 

Wenn es der enge Terminkalender zulässt, fliegen die Parrondos für ein paar Tage nach Spanien. „Wir fühlen uns hier wirklich wohl, aber es ist oft ziemlich dunkel in Deutschland. Besonders im Winter. Noch dazu der häufige Nebel hier in der Region Kassel – wir brauchen diese Heimat-Trips, um Sonne und Wärme zu tanken“. 

Parrondo braucht die Energie. Sein Job ist stressig: „Als Spieler kannst du alles genießen, musst dich um fast nichts kümmern – als Trainer ist das vorbei. Die Verantwortung, der Druck, der Aufwand …“ Dann hält er inne: „Aber bitte nicht falsch verstehen: Mein Vater hat in Madrid als Taxifahrer hart gearbeitet, fuhr Doppelschichten, damit es der Familie an nichts fehlt.“ Er habe ihm beigebracht, auch hart zu arbeiten für die Familie. „Handball ist meine Passion. Von daher lebe ich letztlich meinen Traum.“ 

Plätzchen und Gitarrenklänge

Am Küchentisch der Parrondos sind Gäste stets willkommen. Erst am Abend zuvor hatte Mamen das Haus voll. Während ihr Mann und das Team auswärts Punkte sammelten, hatte sie die Spielerfrauen und Freundinnen samt Kids eingeladen. Plätzchen wurden gebacken, es wurde zu Abend gegessen, jeder hatte etwas mitgebracht. Danach wurde sich um den Fernseher versammelt, gezittert und gejubelt während der Übertragung. 


Voller Einsatz auf der Tribüne in der Rothenbach-Halle: Robertos Tochter Ainhoa und Ehefrau Mamen.

Dass das Ehepaar auch in musikalischer Hinsicht ein tolles Team bildet, davon bekamen die Gäste während der Weihnachtsfeier der MT im Vorjahr eine kleine Kostprobe. Zu vorgerückter Stunde setzte sich der Coach ans Klavier, Mamen sang. „Ich spiele Gitarre und Klavier. Bis zu meinem 17. Lebensjahr habe ich das an einem Konservatorium gelernt. Ich habe sogar ein Diplom.“

Wie gesagt: Roberto Garcia Parrondo besitzt viele Facetten. Doch nun nach dem Essen ruft die Pflicht, und da spielt es keine Rolle, dass es bereits nach 22 Uhr ist. Der MT-Trainer schnappt sich seinen Laptop. Die Videos vom nächsten Gegner stehen auf dem Programm. Mit einem Augenzwinkern sagt Mamen: „Jetzt verschwindet er wieder in seine Handball-Welt.“ (Frank Schneller)